11. Informationsanschreiben: Bericht über die 2. Expertentagung der Deutschen Gesellschaft für Verkehrspsychologie e.V.

Am 04.11.2004 fand unter Leitung ihres Vorsitzenden, Wolfgang Schubert, in Berlin die 2. Expertentagung der Deutschen Gesellschaft für Verkehrspsychologie e.V. statt. Die Thematik „Verkehrspsychologische Testverfahren“ führte 29 Experten aus Universitäten und Forschungseinrichtungen, der Bundesanstalt für Straßenwesen (bast), aus der Praxis der Fahreignungsbegutachtung sowie von Testentwicklern und –herstellern zusammen. Die hohe Aktualität des Themas spiegelte sich in fachlich hoch qualifizierten Beiträgen und in einer sehr angeregten, kritischen und konstruktiven Diskussion wider.

Die Veranstaltung begann mit einem Beitrag von Wolfgang Jacobshagen „Leistungstests für Berufskraftfahrer bei Untersuchungen nach Anlage 5.2.“. Hier wurden insbesondere Fragen nach der Verwendung einer altersspezifischen Norm anstatt einer Gesamtnorm, nach der Berücksichtigung von Lerneffekten, der Zusammenfassung von Teilergebnissen von Leistungstests und nach der Validierung der Testverfahren aufgeworfen. Außerdem schlug Jacobshagen Verfahren zur Verbesserung der Qualitätssicherung auch bei Untersuchungen nach Anlage 5.2. zu §11 und § 48 der Fahrerlaubnisverordnung vor. In der anschließenden Diskussion sprach sich die Mehrheit der anwesenden Experten für die Benutzung einer Gesamtnorm aus. Von mehreren Rednern wurde der Gesichtspunkt der optimalen Vereinbarkeit von wissenschaftlichen Anforderungen und politischer Vertretbarkeit dieser Anforderungen angesprochen. Im Folgenden wurde mehrfach die Notwendigkeit betont, von einer empirischen Normsetzung zu einer kriteriumsorientierten Norm zu kommen, der die Erfassung von Eignungsvoraussetzungen zugrunde liegt. Es wurde aber auch darauf hingewiesen, dass die kriterienorientierte Diagnostik in der Praxis zurzeit noch auf Schwierigkeiten stößt.

Michael Berg stellte die „Entwicklung neuer Testverfahren auf der Grundlage des Konstituentenansatzes“ vor. Dabei handelt es sich um eine Variante theoriegeleiteter Validierung am Testgegenstand selbst. Berg sprach sich für eine klare Trennung des Nachweises der Validität eines Testverfahrens zum einen und dessen Relevanz für verkehrspsychologische Fragestellungen zum anderen aus. Die Frage, wie gewährleistet sei, dass die theoriegeleitet validierten Verfahren auch verkehrspsychologisch nützlich sind, beantwortete Berg dahingehend, dass neben der Validierung zu zeigen sei, dass mit dem jeweiligen Verfahren die behördlichen Fragestellungen (z.B. Fragen nach alkohol-, drogen- oder altersbedingten Beeinträchtigungen) beantwortet werden können. Untersuchungen zur Differenzierung von entsprechenden Personengruppen hätten signifikante Unterschiede in den Testergebnissen ergeben. Es wurde unterstrichen, dass besonders bedeutsam die Erklärung sei, wie, d.h. auf welchem Weg eine Person ein bestimmtes Testergebnis erreicht hat. Es wurde auch das Problem aufgeworfen, ob eine Aufsplittung von Testverfahren in Basisleistungen möglich und sinnvoll sei. Ferner wurde erörtert, ob die untersuchten Personen mit auf unterschiedlichen testtheoretischen Ansätzen basierenden Verfahren gleichartig klassifiziert werden können.

Birgit Bukasa berichtete in Zusammenarbeit mit Michael Hutter über die „Normierung verkehrspsychologischer Testverfahren“. Die anschließende Diskussion entzündete sich vor allem an der Frage, welche Normstichprobe zur Validierung von verkehrspsychologischen Testverfahren genutzt werden soll: Die der verkehrsauffälligen Fahrer („Betroffenen-Norm“) oder eine Normalstichprobe unauffälliger Fahrer? Hierzu herrschten unterschiedliche Auffassungen, wie auch zur erforderlichen Stichprobengröße, die wesentlich von der Güte der Stichprobenziehungsmethode abhängt. Für die „Betroffenen-Norm“, so Bukasa, spreche die zu den zu untersuchenden Personen vergleichbare Motivationslage, für die „Normal-Norm“ der eigentliche Sinn einer Norm, nämlich Abweichungen von dem erfassbar zu machen, was normal wäre. Abschließend wurde kurz die Frage der Nutzung von Konfidenzintervallen zur Interpretation von Testergebnissen und damit im Zusammenhang auch die Frage nach der Möglichkeit der Nutzung anderer Skalen als des Prozentrangs (z.B. von T-Werten) erörtert. Es wurde auch diskutiert, dass Testwiederholungen vermieden werden sollten, das sie das Begutachtungsergebnis beeinflussen, es sei denn, es sind Paralleltests oder gesonderte Normen für Testwiederholungen verfügbar.

Als Fazit der Veranstaltung kann festgestellt werden, dass auf dem Gebiet der verkehrspsychologischen Testverfahren eine breite wissenschaftliche Meinungsbildung in Gang gekommen ist, welche der weiteren Entwicklung viele positive Impulse geben wird. Von den Teilnehmern wurde übereinstimmend eine Fortsetzung der Diskussion zu einem späteren Zeitpunkt gewünscht.

Karin Müller
Schriftführerin DGVP

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