14. Informationsanschreiben der DGVP über Aktivitäten im europäischen Kontext

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Mitglieder,

hiermit möchten wir Sie über die Aktivitäten und Ergebnisse der Arbeit aus dem Vorstand zu ausgewählten Tätigkeitsschwerpunkten – diesmal über Europa-Aktivitäten – informieren.

Aktivitäten des Vorstands im europäischen Kontext 

 

 

 

 

Die Deutsche Gesellschaft für Verkehrspsychologie hat sich seit der Einrichtung eines „Runden Tisches“ durch die Sektion Verkehrspsychologie des BDP an den Gesprächen über gemeinsame Zielsetzungen und Strategien zur Stärkung der Verkehrspsychologie in Forschung, Lehre und Praxis beteiligt. Die Diskussionen haben Anfang des Jahres u.a. zu der Erkenntnis geführt, dass eine kleinere Gruppe von Personen (“Steuerungsgruppe“) den Informationsaustausch sowie die Abstim­mung von Aktivitäten leichter und effizienter gestalten könnte als der „Runde Tisch“ selbst. Die Steuerungsgruppe wurde aus dem Kreise des Runden Tisches gewählt und repräsentiert die verschiedenen Interessen und Gruppierungen in Deutschland; sie setzt sich wie folgt zusammen: A. Allhoff-Cramer (Sektion Verkehrs­psychologie), E. Stephan (Fachgruppe Verkehrspsychologie der Deutschen Gesell­schaft für Psychologie), W. Schubert (Deutsche Gesellschaft für Verkehrs­psycho­logie), B. Rothenberger (Bund Niedergelassener Verkehrspsychologen, BNV), C. Rohlfing (AVUS, Träger amtlich anerkannter Begutachtungsstellen für Fahr­eignung) und W.-R. Nickel (Europabeauftragter Verkehrspsychologie der Föderation Deutscher Psychologenvereinigungen).

 

Sowohl vom Vorstand der DGVP als auch von der Föderation Deutscher Psychologenvereinigungen (BDP, Sektion Verkehrspsychologie und DGPs, Fachgruppe Verkehrspsychologie) bin ich beauftragt, die Anliegen dieser Gruppen im Zusammenhang mit der europäischen Entwicklung wahrzunehmen und angemessen zu vertreten.

Ziel meines Auftrages ist es u.a.

1.      der deutschen Verkehrspsychologie (1) entsprechend ihrer Vielfalt und Kompetenz ein Terrain zur Einflussnahme auf politische Entscheidungen zu sichern,

 

 

2.      spezifische Anliegen der deutschen Verkehrspsychologie bekannt zu machen und eine sachliche Auseinandersetzung über deren Zukunfts­chancen in Europa in Gang zu setzen und die Entwicklung eines Modells zur Gestaltung sicherer individueller Mobilität zu fördern; dazu zählt u.a. das deutsche System der Begutachtung und Förderung der Fahreignung,

3.      die für Deutschland weit entwickelte berufliche Orientierung und Festigung des Verkehrspsychologen in einem europäischen Rahmen zu stabilisieren,

4.      die Koordination der Europaspezifischen Aktivitäten der Verbände und anderer Organisationen zu verbessern.

 

 

Selbstverständlich sind diese Ziele, auch unter Berücksichtigung der begrenzten finanziellen Ressourcen, nicht von einem Einzelnen zu erreichen. Daher besteht eine wesentliche Aufgabe darin, die einzelnen Verbände und Institutionen regelmäßig über Entwicklungen zu unterrichten und Abstimmungen über die jeweils für erforderlich gehaltenen Schritte herbei zu führen.

Das Erreichen der Ziele hängt auch ganz entscheidend davon ab, in welchen nationalen und vor allem internationalen Gremien Einfluss wahrgenommen werden kann. Seit Ende der achtziger Jahre bin ich Mitglied des Vorstands desInternational Council on Alcohol, Drugs and Traffic Safety(ICADTS) bzw. der ICADTS Foundation, einer Stiftung, die sich der Förderung junger Wissenschaftler auf dem Gebiet ‚Alkohol, Drogen und Verkehrssicherheit’ widmet. Seit Anfang der neunziger Jahre vertrete ich die Interessen der Sektion Verkehrspsychologie im BDP in der ‚Task Force on Traffic Psychology’ der European Federation of Psychologists Associations (EFPA).

Seit Beginn des Jahres 2004 bin ich darüber hinaus in folgenden Gremien präsent:

§ Expertengruppe ‚Fitness to Drive’ bei der Generaldirektion Verkehr der EU

§ Berater der Pompidou-Gruppe des Europarates

§ Akkreditierungsausschuss der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt)

 § Reviewtätigkeit für verschiedene Forschungsprojekte der EU, u.a. IMMORTAL

In den genannten Gremien habe ich, je nach Dauer der Zugehörigkeit beginnend im Jahre 2004, u.a. folgende an einigen Beispielen erläuterte Aktivitäten entfaltet:

1.      EFPA Task Force on Traffic Psychology:
– Entwurf einer Argumentation zur Umwandlung der Task Force in ein Standing Committee on Traffic Psychology, um damit die Bedeutung professioneller Verkehrspsychologie in den 31 Mitgliedstaaten der EFPA zu erhöhen. Die Generalversammlung der EFPA hat während des 9. Euro­päischen Kongresses für Psychologie in Granada vom 3.-8. Juli 2005 der Statusänderung zugestimmt. Dies ist nicht nur für Deutschland, sondern für alle angeschlossenen Länder ein wichtiger Schritt zur Veran­kerung der Verkehrspsychologie.

– Die Task Force hat mich beauftragt, zur Vorbereitung weiterer Schritte

·         einen Fragebogen zu entwerfen, der sich mit der Aus- und Weiterbildung von Verkehrspsychologen in den Mitgliedstaaten befasst. Dieser Fragebogen basiert in wesentlichen Teilen auf dem deutschen „Curriculum Fachpsychologe für Verkehrs­psychologie“. Gegenwärtig findet die Erhebung statt; sie dient u.a. dem Ziel, die Ausbildungssituation in Europa vollständig zu erfassen – eine Voraussetzung für die Schaffung einer Common Platformnach EU-Richtlinien. Common Platforms dienen der Vereinheitlichung von beruflichen Qualifikationen, vor allem deren Spezialisierungen; auf diese Weise wird angestrebt, einen „europäischen Verkehrspsychologen“ zu schaffen. Die Bemü­hungen des Standing Committee werden eng mit den nationalen Verbänden und dem EFPA-Präsidium abgestimmt, um zu vermei­den, dass divergierende Strategien die Zielerreichung behindern. Im übrigen dient der Fragebogen auch dem Ziel, das von mir übersetzte Curriculum international bekannt zu machen und zum gegebenen Zeitpunkt wichtige Inhalte in eine europä­ische Regelung aufnehmen zu können.

·         Ein Strategiepapier „Verkehrspsychologie in Europa“ zu entwerfen, das nach Abstimmung zwischen den Mitgliedstaaten dem Europarat zugehen soll, um dort verkehrspsychologische Aktivitäten stärker verankern zu können; dieses Papier ist zur Zeit in Arbeit.

2.      Expertengruppe ‚Fitness to Drive’

Die Generaldirektion Verkehr hat mich zu verschiedenen Veranstaltungen als Experte eingeladen, u.a. zur Teilnahme am „Joint Meeting on Fitness to Drive am 27. und 28.4. 2005“ in Brüssel. Eine für die Verkehrspsycho­logie wichtige Erkenntnis aus dieser Veranstaltung ist die Tatsache einer eklatant mangelhaften Repräsentation deutscher, aber auch insgesamt europäischer (verkehrs-) psychologischer Forschung. Die Vorstellung der Projekte AGILE, ALCOLOCK, CONSENSUS, IMMORTAL, MEDRIL, QUAVADIS und IDEA sowie ihrer Teilprojekte zeigte sehr deutlich, dass weder die Möglichkeiten der Verkehrspsychologie bisher erkannt noch verkehrs­psychologische Ansätze mindestens in Teilprojekten angemessen berücksichtigt worden sind. Die überwältigende Mehrzahl der vorgestellten Projekte sind ein­deutig medizinisch dominiert und kommen daher häufig zu unzureichend-einseitigen Ergebnissen und Erkenntnissen. Ich habe bei dieser Veranstaltung durch meine Diskussionsbeiträge und Kommentare die deutsche Verkehrpsychologie einzubringen versucht; die Kommission hat darum gebeten, meine Kommentare in schriftlicher Form zu erhalten, um sie im Abschlussprotokoll über das Joint Meeting aufnehmen zu können. Eine ausführliche Darstellung der Projekte, meiner Beobachtungen und meiner Kommentare während der Veranstaltung liegt vor und kann auf Wunsch zur Verfügung gestellt werden.

 3.      Pompidou-Gruppe des Europarates

Die Pompidou-Gruppe befasst sich im weitesten Sinne mit den Auswir­kun­gen des Drogenkonsums auf die Verkehrssicherheit. Ich bin vom Europa­rat für die Pompidou-Gruppe beauftragt worden, eine Erhe­bung über die Veränderungen der drogenrechtlichen Regelungen in den Mitgliedstaaten vorzubereiten, auszuwerten und auf der Basis der Ergeb­nisse ein Sympo­sium im Sommer 2006 in Paris zu organisieren. Die Pompidou-Gruppe bietet im Zusammenhang mit den o.g. Zielsetzungen eine Vielzahl von Kontakt- und Einflussmöglichkeiten zu Personen und Institutionen, die auf anderen Wegen nur schwer zugänglich sein würden. Die konkreten Möglichkeiten für die Verkehrpsychologie bestehen u.a. darin, das Strate­giepapier zur Verkehrspsychologie in Europa durch direkte Kontakte bekannt zu machen und Anreize für den Abruf verkehrs­psychologischer Leistungen in Ausbildung, Forschung und Praxis zu setzen.

Darüber hinaus bin ich als Mitglied der DGVP bei verschiedenen Forschungspro­jekten der Kommission (u.a. IMMORTAL) als Reviewer beauftragt worden; ich habe dabei u.a. verhindern helfen können, dass unausgereifte Konzeptionen für verkehrs­sicherheitspolitische Maßnahmen in den Entscheidungskatalog der Kommission aufgenommen wurden. Darüber ist bereits bei der Mitgliederversammlung im vergangenen Jahr ausführlich berichtet worden.

Schließlich bin ich vom VdTÜV gebeten worden, die inhaltliche Ausgestaltung eines Kongresses zum Thema „Fitness to Drive“ im Mai 2006 gemeinsam mit den Mitgliedern der Steuerungsgruppe zu übernehmen. Ziel dieses Kongresses wird es nach den von der DGVP eingebrachten Vorstellungen sein, den Status und die Entwicklung der Fahreignungsdiskussion in Europa aktuell darzustellen und Anregungen für eine intensivierte europäische Zusammenarbeit zu geben. Gegenwärtig bin ich damit befasst, namhafte internationale Referenten zu spezialpräventiven Themen zu gewinnen. Ich zähle bei dieser Aufgabe auf die Hilfe und Mitwirkung weiterer Mitglieder der DGVP und werde in Kürze mit konkreten Einzelheiten an Sie herantreten.

Bei der Vielzahl der genannten Aktivitäten ist die Frage notwendig und berechtigt, ob erste Erfolge bei der Erreichung der genannten Ziele sichtbar werden.

Die Antwort ist ein klares Ja; das Terrain zur Einflussnahme für die deutsche Verkehrspsychologie ist mehr als nur in Ansätzen geschaffen. Inzwischen sind viele Gremien mit unserem System der Begutachtung und Förderung der Fahreignung, aber auch mit der Bereitschaft notwendige Veränderungsprozesse in Gang zu setzen, bekannt gemacht worden. Die bisherigen Reaktionen sowohl bei der Kommission wie auch bei vielen Kollegen in den Mitgliedstaaten der Union sind positiv und lassen eine konstruktive Diskussion erwarten. Der „europäische Verkehrspsychologe“ ist auf dem Weg – das ihn erwartende berufliche Spektrum wird wichtige Elemente der bereits vorliegenden curricularen Festlegungen, selbstverständlich auch derjenigen des „Curriculums Fachpsychologe für Verkehrspsychologie“ enthalten. Schließlich konnten bei der Koordination Europa-spezifischer Aktivitäten erhebliche Fortschritte erzielt werden; das jüngste Beispiel ist die inhaltliche Gestaltung des o.g. Kongresses, die unter Beteiligung aller in der Steuerungsgruppe vertretenen Gruppierungen erfolgen wird. Auch dadurch haben wir nunmehr den Weg der Zersplitterung in Einzelinteressen verlassen und unsere Kräfte adäquat im Sinne der beschriebenen Ziele gebündelt.

Wolf-Rüdiger Nickel

Mitglied des Vorstands

 Mannheimstr.- 19
 38112 Braunschweig
 Tel: 0531 311677
 w.nickel@t-online.de 

(1) Im Hinblick auf die internationale Zusammensetzung der Mitgliedschaft der DGVP verstehen wir unter „deutscher“ Verkehrspsychologie die deutschsprachige und schließen damit Österreich, die Schweiz und Norditalien ein.

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